Samstag, 16. Mai 2009

Review: Coraline

Die Kunst des Stop-Motion Films dürfte den meisten, mit Ausnahme einiger Animationsfans und Cineasten, gänzlich unbekannt sein. Wenn man es aber genauer beschreibt müsste eigentlich jeder wissen was gemeint ist: Stop-Motion ist eine der ältesten techniken beim Film: So kann es sowohl als Spezialeffekt bei Realfilmen als auch als eigenständige Filmtechnik genutzt werden. Stop-Motion oder auch Stoptrick ist aber unbestreitbar eine der aufwendigsten Arten einen Film zu drehen: Hiefür braucht man pro Sekunde ca. 16 Bilder einer Figur etc. die immer minimal bewegt wird wenn ein neues Bild geschossen wird: Setzt man die einzelnen Bilder dann zusammen entsteht ein flüssiger Film. "Einfach!" könnten da einige sagen, doch das ist es gar nicht. Für einen Film von 100 Minuten Laufzeit bräuchte man also ca. 96.000 Bilder, die alle perfekt sein müssen. Wenn man Glück hat schafft man in einer Woche 2 Minuten Film, was dann ca. 3 Jahre dauert bis der Film fertig ist. Stop-Motion ist etwas besonderes und deshalb mögen es auch Tim Burton oder ich (Endlich habe ich es geschafft mich mit Tim Burton in einem Satz zu nennen).

Einer der bekanntesten Beispiele für diese Art von Film ist: Tim Burtons Nightmare before Christmas. Nightmare before Christmas ist das größte Begierdeobket 13-17 jähriger Gothicmädchen. Eigentlich steckt jedoch viel mehr dahinter: Nämlich die wunderbar altmodische Stop-Motion-Technik, die sich besonders gut dazu eignet skurrile geschichten zu erzählen. So entstanden dann auch andere Filme: Wallace & Gromit - 3 unglaubliche Abenteuer, Tim Burtons Corpse Bride, Wallace & Gromit - Auf der Jagd nach dem Riesenkaninchen und ein Film namens Coraline. Coraline basiert auf dem gleichnamigen Buch von Neil Gaiman (Der Sternenwanderer), wurde von Henry Selick (Nightmare before Christmas) gedreht und lief am Samstag, den 9. mai als Deutschlandpremiere auf dem Internationalen Trickfilmfestival in Stuttgart. Wenn es auch schwieriger war einen Platz zu bekommen als den Film dann schlussendlich zu sehen, bekam ich bei der Wiederholung am Sonntag noch einen Platz und kann nun eine der ersten (oder die erste?) deutshce Kritik zum Film verfassen:

Pass auf was du dir wünschst!

Das Mädchen Coraline Jones ist gerade erst mit ihren Eltern in ein neues haus umgezogen. Da beide beschäftigt sind und sie wenig Aufmerksamkeit bekommt erkundigt Coraline das Haus, ihre schruliigen nachbarn und ihre Wohnung. Dort trifft sie auf eine Tür hinter der Tapete. Doch die mündet nur in die Mauer. Als Coraline eines Nachts Mäuse durch die Tür gehen sieht ist sie überrascht: Wo einst die Mauer war ist nun ein mysteriöser Gang. Coraline geht hindurch und findet sich in einem knallbunten, perfekten Spiegelbild ihrer Welt wieder. Dort trifft sich auch auf ihre "andere Mutter" und ihren "anderen Vater", die anstelle von Augen Knöpfe haben. Erst lebt es sich in dieser Welt paradiesisch - Bis sie die andere Mutter nicht mehr gehen lassen will.

Coraline ist, um es kurz zu fassen, einfach nur wunderbar! War Nightmare before Christmas 1993 schon eine animatorische Meisterleistung und sogar für den Effekteoscar nominiert und Corpse Bride eine klare Weiterentwicklung ist Coraline beides zusammen - Nur noch besser. Der Film zeigt wie unglaublich viel man eigentlich mit dieser Technik machen kann. Mit Stop-Motion wird so auch eine Atmosphäre eingefangen, die schlichtweg großartig ist: Skurril, schrullig, düster, bunt und märchenhaft: Komponenten die Meisterhaft umgesetzt wurden un einen stilistisch und atmosphärisch bis ins letzte Detail perfekten Film machen.

Stilistisch vergleichbar mit dem oben genannten Nightmare before Christmas ist Coraline aber nicht: Der Film ist kurril, ja, aber in einer ganz anderen Art als Nightmare before Christmas. Coraline ist nicht so verrückt und abgedreht, nicht so bunt und quirlig und um einiges weniger bizarr als die Tim Burtonsche Welt und ihre Charaktere. Coraline ist um einiges ruhiger, gemütlicher und gediegener, er ist eben ein (sehr düsteres) Märchen im Stil von Alice im Wunderland - nur noch ruhiger. Das macht den Film aber keinenfalls langweilig: Es wird eine märchenhafte Story in wunderschönen Bildern erzählt, die mit längerer Laufzeit immer mehr an Tempo und Suspense zunimmt, meisterhaft inszeniert und vielen der seelenlosen Live-Action-Filme haushoch überlegen - etas das man heutzutage nicht mehr oft im Kino präsentiert bekommt. Getragen und doppelt unterstrichen wird das gezeigte dann noch vom, teils kühlen, elektrischen, teils sehr warmen Score von Oscar-Nominee Bruno Coulais, der den Szenen noch den letzten, künstlerisch anspruchsvollen Schliff verpassen.

Manche Türen sollten ungeöffnet bleiben!

Wie schon gesagt ist der Film auch stilistisch eine riesige Augenweide: das Charakterdesign ist schlichtweg genial, wenn auch manchmal etwas unpassend: Für die Szenen in der realen Welt sind einige Charaktere, wie der Nachbar Mr. Bobinsky, einfach zu überdreht und wirken fehlplatziert, was der realen Welt etwas an der Glaubhaftigkeit und der Wärme nimmt, dass sie im Gegensatz zur Zuckerguss-Parallelwelt haben sollte. Wenn wir gerade schon bei den Mängln sind:Gänzlich perfekt ist der Film leider nicht, aber fast: Neben der Überdrehtheit in der richtigen Welt ist noch die Einführung des neuen Charakters Wybie zu bemängeln. Der wurde eingeführt um den Zuschauer nicht die ganze Zeit nur einem Mädchen zuschauen zu lassen, das mit sich selber redet. Das ist zwar berechtigt, aber in einer ziemlich albernen Art umgesetzt, die wohl eher Kindern als Erwachsenen (Für die der Film osgar mehr geeignet ist) gefallen. Beides hält sich aber wirklich in Grenzen, sodass man wirklich leicht darüber hinwegsehen kann.

Sonst noch zu sagen ist, dass die (englische) Snychronisation wirklich mehr als gelungen ist: Trotz den prominenten Stimmen (Die im Normalfall nur nerven) ist die Synchro wirklich stimmig und passt wie die Faust aufs Auge. Außerdem sei, mal wieder, der 3D-Aspekt extra betont: Im gegensatz zu Monsters vs. Aliens werden die 3D-Effekte niemals aufdringlich eingesetzt und unterstreichen den Charakter und die Story des Films nur nochmal als dass sie genau davon ablenken wollen.

Fazit: Den Kultstatus eines Nightmare before Christmas wird Coraline nie erreichen - Auch wenn sich der Film absolut nicht hinter seinem "Kumpanen" verstecken braucht: Exzellente Animationen, tolle Charaktere und ein makelloser Stil machen den Film nach dem gelungenen, aber nicht spektakulär guten Bolt und dem recht guten Monsters vs. Aliens zum ersten Animationsmeisterwerk des jahres. Bravo!

9/10

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2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Kann dir nicht so ganz zustimmen.
Ich hab den Film zwar nicht gesehen aber wenn es heißt er ist besser als der gute "Bolt" und dem recht gutem "Monster vs. Aliens" kann ich nur lachen.
Die beiden Filme waren allerhöchstens mittelprächtig und bei weitem von gut entfernt.

Ein richtig guter Animationsfilm heuer war eindeutig "Ice Age", und das nicht nur weil er in 3 D war.

Und was ich bisher von "Caroline" gesehen habe lässt mich auch kalt.
Optisch kann der Film mit "Ice Age" oder "Shrek" bei weitem nicht mithalten

LG Jackie

The Great Gonzo hat gesagt…

Das liegt natürlich im Auge des Betrachters.

Der erste Ice Age bietet kaum mehr als ein paar große, weiße Flächen, die optisch nicht wirklich viel hergeben. Da sind die nachfolgenden Teile schon besser. Shrek finde optisch auch nicht wirklich ansprechend, da die Farbgebung extrem dürftig und ausgebleicht ist und die Menschen wie Fremdkörper wirken.

Coraline dagegen ist farblich extrem gut gemacht, wodurch der gegensatz zur "perfekten", wenn auch künstlichen Paralellwelt in Ultrabunt zur normalen Welt, die nur in Grün und Grau gehalten ist raussticht. Von der wunderbaren, märchenhaften und detailverliebten Umgebungsgestaltung mal ganz zu schweigen. Natürlich ist die Stop-Motion-Optik Geschmackssache, aber die fand ich als Fan wirklich herausragend. Nur mit dem Trailer als Grundlage kann man das relativ wenig beurteilen. ;)

Und die Sache mit Bolt und MvA ist eben auch wieder Geschmackssache. Unglaublich gut fand ich beide nicht, aber sehenswert schon. ;)